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Elementi 21: TRILOGOS Forum - Idee - Symbol - Wirklichkeit

Reihe von Michael Noah Weiss / Spiegelbilder (2)

1. Menschliche Fähigkeiten

Wenn wir nach den Wesensmerkmalen des Menschen fragen, so werden wir dabei auf eine Fähigkeit stoßen, nämlich jene sich seiner selbst bewusst zu sein. Sprich: Der Mensch ist eines jener Wesen, die sich selbst reflektieren können.

Descartes hat es in seinem berühmten Satz cogito ergo sum [ich denke, also bin ich] schon vorweggenommen: Der Mensch kann an jede seiner Aussagen, an jede seiner Vorstellungen den Satz ich denke anfügen. D.h. heißt er kann sich seiner selbst, seiner Einstellungen und Überzeugungen immer bewusst sein. Der Mensch handelt nicht unbewusst, er handelt nicht aus einem Reflex heraus, sondern eben aus einer
Reflexion.

Der Mensch entscheidet. Indem er sich seiner selbst, seiner Situation und seiner Lebenswelt bewusst ist, werden ihm auch Möglichkeiten bewusst: also Handlungen die er setzen oder unterlassen kann. Um ein Beispiel dazu anzufügen: Der Mensch kann entscheiden ob er einkaufen gehen will oder das lieber auf den nächsten Tag verschieben möchte.

Er ist so eines jener Wesen, das erstens zu entscheiden fähig ist und zweitens besteht dabei nie so etwas, wie die absolute Notwendigkeit einer Handlung, da er immer auch eine andere wählen kann. Der Mensch hat immer die Möglichkeit zu reflektieren. Er kann immer fragen "Warum eine bestimmte Handlung setzen, weshalb?", der Mensch fragt nach einer Begründung.

2. Die Frage nach dem Mittel

Wenn sich nun der Mensch entschieden hat, ob er einkaufen gehen möchte oder nicht, und wir nehmen an, er möchte einkaufen gehen, so muss er immer noch entscheiden in welchen Supermarkt er gehen möchte. Hier befinden wir uns mitten in der Frage nach dem Mittel. Für welches Mittel entscheidet sich der Mensch, um sein Ziel zu erreichen? Geht er in den Supermarkt um die Ecke oder in den günstigeren drei Strassen weiter?

Wenn jemand fragt "Wie erreiche ich meine Ziele?", so ist zu antworten "Durch Mittel". In diesem Sinn ist der Mensch nie losgelöst von Mitteln, sondern bedarf dieser immer. Um es auf den Bereich der Kommunikation umzulegen: Wenn sich der Mensch mitteilen möchte, so ist er immer genötigt den Inhalt seiner Mitteilung zu formulieren. D.h er ist immer genötigt, die richtigen Worte zu finden.

Allerdings birgt diese Wahl der Mittel ein kleines Problem in sich: Dadurch, dass der Mensch gezwungen ist, immer nach der Formulierung, immer nach dem Wie der Umsetzung zu fragen, die ihn seine Ziele erst erreichen lassen, kann er nie in die Unmittelbarkeit gelangen.

3. Alles ist Vermittlung

Was heißt das? Dadurch, dass er ständig reflektieren muss, dadurch, dass er ständig zwischen Mitteln entscheiden muss, kann er nie das Un-mittel-bare wählen. Das betrifft nun vor allem auch einen sehr interessanten Bereich, nämlich den Bereich der Wissenschaften: Wie werden im Bereich der Wissenschaften Erkenntnisse formuliert? Oder: Wie wird dort die Welt oder die Natur dargestellt?

Wir kommen nun gleich an den Punkt, an dem ersichtlich wird, dass es so etwas wie einen unmittelbaren Einblick in die Natur gar nicht gibt, sondern dass alles, auch jede wissenschaftliche Aussage immer eine vermittelte, immer eine reflektierte Aussage über etwas ist. Die Wissenschaft gibt uns keine unmittelbare Einsicht, sie gibt uns keine Einsicht, wie etwas wirklich ist, sondern nur darüber wie etwas interpretiert und formuliert werden kann.

Als Beispiel soll hier die Nutzung von Windrädern für die Stromgewinnung erwähnt werden: Dabei wird das Naturphänomen "Wind" als Energiequelle interpretiert, und auf diese Weise auch nutzbar gemacht (vgl. http://www.windwandler.de/). Der Wind als Energiequelle begriffen, sagt überhaupt nichts darüber aus, was nun "Wind" wirklich ist. Es sagt aber vielmehr etwas über die Herangehensweise des Menschen an Phänomene etwas aus: Der Mensch muss alles reflektieren, es interpretieren um es verstehen und handhaben zu können.

4. Mythos und Logos

Um dieses Vorgehen der Wissenschaft und somit des Menschen besser darstellen zu können, soll nun der Mythos der Medusa herangezogen werden: Medusa ist ja ein fürchterliches Ungeheuer der Griechischen Mythologie, gekennzeichnet durch eine Unmenge von Schlangen, die sich auf ihrem Kopf befinden.

Medusa war unbezwingbar und nur einer, nämlich Perseus, schaffte es ihr den Kopf abzuhacken und ihr somit das Leben zu nehmen. Der Witz an der Geschichte ist, dass der Medusa nicht ins Gesicht geblickt werden konnte, wer dies tat wurde versteinert und starb. D.h. sie war kein normales, herkömmliches Monster, das mit Waffen bekämpft werden konnte. Es war dabei auch so etwas wie List gefragt.

Perseus nun bekam die Unterstützung von Athene. Er suchte das Ungeheuer auf und Athene reflektierte das Angesicht von Medusa in ihrem Schild während diese schlief. Auf jene Weise, durch die Reflexion, durch das Spiegelbild der Medusa im Schild, konnte Perseus ihr den Kopf abschlagen, ohne ihr dabei ins Gesicht blicken zu müssen.

Das ist natürlich eine schöne Geschichte, die aber genau auf diese typisch menschliche Fähigkeit der Reflexion hinweist. D.h. Perseus konnte sein Ziel erst dann erreichen, als er das Problem, das Phänomen Medusa, reflektierte. Er konnte das Monster nur bezwingen, indem er eine Art von Interpretation, ein Spiegelbild durch das Schild erhielt.

Wichtig vielleicht ist zu erwähnen, dass die Bedeutung der Medusa gleichgesetzt wird mit Naturgewalten und Naturkräften. Weiters symoblisiert sie die ewige Transformation, den ewigen Wandel von Entstehen und Vergehen, von Geburt und Tod usw. Kurz: Medusa stellt die Welt dar.

5. Das Geheimnis bleibt

Was ist die Konsquenz dieser Geschichte bezogen auf die Fähigkeit des Menschen zu reflektieren? Der Mensch kann der Natur oder der Welt, so wie sie ist, nicht ins Gesicht blicken. D.h. er kann sie nicht erkennen. Er kann aber, dadurch, dass er seine Umwelt reflektiert, diese für ihn nutzbar machen. Er kann seine Ziel erreichen, so wie Perseus sein Ziel erreichte.

Letztlich muss aber gesagt werden, dass der Mensch die Welt in der er lebt nie so erkennen kann, wie sie unmittelbar ist. Er kann sie zwar reflektieren und interpretieren, er kann sie nutzbar machen, er kann in ihr leben, aber er kann sie nicht so sehen, wie sie wirklich ist. Denn dieses Geheimnis wird für den Menschen ungelüftet bleiben, als Preis für seine Freiheit zu handeln, zu denken.

Bei Fragen, Anregungen oder Einwänden würde ich mich über ein E-Mail unter: weiss7 [at] gmx.at sehr freuen!

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